Zusammenfassung: Kultur schafft Bindung: Wie Werte Recruiting & Führung prägen mit Dirk Tekath

Kultur schafft Bindung - Dirk Tekath- Podcast HiddenCandidates - Zusammenfassung

Live-Podcast auf der StaffingPro, 22.10.25, sprechen Andre Beier (Host) und Dirk Tekath (Geschäftsführer von der Tekath- Personalberatung GmbH) darüber, wie Kultur wirklich Bindung schafft – und wo Unternehmen im Recruiting 2025 gerade massiv danebenliegen.

Einstieg: Kulisse als Spiegel der Kultur

Andre beschreibt zuerst das Setting: Pre-Event im großen Kurhaus, Kuppelsaal, viele Menschen, hohe Lautstärke, sichtbare Geschichte an den Wänden, spürbare Atmosphäre. Für ihn ist das mehr als „schöner Rahmen“ – es ist ein Beispiel dafür, wie Kultur wirkt:

Du spürst sofort, ob ein Umfeld einladend ist oder nur Fassade.

Von dort aus die erste Schlüsselfrage an Dirk:
Was ist der größte Kultur-Irrtum, den du 2025 im Recruiting siehst?
Dirk: Schluss mit Buzzwords – jetzt wird geliefert

Dirk erlebt:
Viele Unternehmen leben immer noch in der Vergangenheit, während die Realität längst weitergezogen ist. Es wird mit Buzzwords wie „New Work“, „mündige Mitarbeitende“, „flache Hierarchien“ jongliert – aber im Alltag passiert genau das Gegenteil.

Sein Eindruck:

  • Es wird zu viel geredet, zu wenig gemacht.
  • Es wird Wasser gepredigt und Wein getrunken.
  • Die Zeit der „Quatscherei“ ist vorbei – jetzt muss geliefert werden.

Und zwar nicht nur von Mitarbeitenden, sondern vor allem von Unternehmer:innen und Führungskräften, die Verantwortung tragen.

Andre fragt nach, ob wir mehr „Macher“ brauchen. Dirk sagt:
Ja, die brauchten wir schon immer – und dringender denn je. Gleichzeitig sieht er eine neue Generation von Führungskräften (Ende 20 bis 40), die mit einem anderen Mindset kommt: mehr Tempo, mehr Verantwortung, mehr „Gas geben“, wie man es eher aus den USA kennt. Das macht ihn optimistisch.

Mut statt German Angst – Unternehmen in Zyklen

Andre verweist auf Studien, nach denen „Mut“ in der deutschen Werte-Landschaft weit hinten steht. Dirk bringt die „German Angst“ ins Spiel:
Wer nur versucht, seinen Besitzstand zu sichern, wird langfristig scheitern.

Sein Bild:

  • Die Welt dreht sich weiter, Natur und Märkte verändern sich.
  • Unternehmen haben Lebenszyklen: Geburt, Entwicklung, Reife – ggf. Sterbephase.
  • Der Vorteil von Unternehmen: Sie müssen nicht „sterben“, wenn Führung bereit ist, Neues anzuschieben.

Voraussetzung:

  • Mut, Neues auszuprobieren,
  • auch zu scheitern,
  • Fehler zuzulassen – auf allen Ebenen, inklusive Führung.

Er zieht den Vergleich zu Amerika: Dort wird Scheitern oft als Erfahrung gefeiert. In Deutschland sieht man schnell die „Bruchlandung“. Dirk sagt klar:
Diejenigen, die sich über gescheiterte Unternehmer lustig machen, haben meist noch nie eigenes Geld und eigene Verantwortung riskiert. Fehler gehören zum Programm – entscheidend ist, ob man daraus lernt.

Werte im Recruiting: Kalibrieren statt Märchen erzählen

Dann geht es tiefer ins werteorientierte Recruiting.
Dirk beschreibt seinen Prozess:

Start beim Unternehmen:
Mehrere Gespräche, Anforderungsprofil, Kultur herausarbeiten – nicht nur die offiziellen Werte, sondern das, was wirklich gelebt wird.

Kalibrierkandidaten:
Gerade zu Beginn einer Zusammenarbeit schickt seine Beratung auch Kandidaten, um herauszufinden:

  • Was ist unausgesprochen wichtig?
  • Wo weicht das „offizielle Bild“ von der Realität ab?

Gefahr der schönen Geschichten:
Wenn Unternehmen nach außen von Verantwortung, Eigenständigkeit und Augenhöhe sprechen – innen aber ein Patriarch führt, der jeden „Kopf“ abschneidet, der sich zeigt, kippt die Beziehung schnell.

Dirk bringt es auf den Punkt:
Wenn viele Mitarbeitende ein Unternehmen schnell wieder verlassen, kann nicht immer nur der Mitarbeitende schuld sein.

Und wenn jemand im CV viele Kurzstationen hat, können auch nicht immer nur die Arbeitgeber schuld sein – hier prallen oft zwei Kulturen aufeinander, die schlicht nicht passen.

Kultur ist Mission, kein Projekt

Andre betont: Unternehmenskultur ist kein Sprint, sondern eine Mission.

Werte an die Wand hängen – kennen wir seit den 80ern/90ern.

Wenn Mitarbeitende „unter den Werten durchlaufen können“, ohne sie zu spüren, bringt das nichts.
Gerade im Kontext Fachkräftemangel ist das fatal:
Die wenigen guten Leute, die gehen, sind mit ihrem Mindset nicht einfach ersetzbar.

Wie erkennt man echte Kultur?

Andre will wissen, wie Dirk Kultur prüft – jenseits von Hochglanzfolien.

Dirk achtet auf:

  • Konkrete Beispiele zu Werten:
  • Egal welcher Wert genannt wird – er lässt sich Situationen schildern:
  • Wann wurde dieser Wert zuletzt gelebt?

Sprache über Mitarbeitende:

Wie reden Führungskräfte über ihre Leute, besonders wenn sie nicht im Raum sind?

Kleinigkeiten als Kultur-Indikatoren:

  • Pünktlichkeit
  • Qualität des Schriftverkehrs
  • Struktur & Sorgfalt im Arbeitsvertrag
  • Einhalten von Zusagen (z. B. „Der Vertrag kommt Dienstag“ – und dann passiert tagelang nichts)

Seine Logik:

Wer schon beim Vertrag schludert, sendet ein deutliches Signal.
Diejenigen, die sich trotzdem darauf einlassen, sind oft genau die, die später wieder nicht richtig passen.

Onboarding als Kultur-Stresstest

Beim Onboarding sieht Dirk einen zentralen Kulturtest:
Die ersten 30 Tage, aber auch die ersten 3–6 Monate, sind entscheidend.
Der neue Mitarbeitende muss ab Tag 1 wissen:

Was sind die Spielregeln? Was geht – und was geht nicht?

Er zieht eine Analogie zur Erziehung von Kindern oder Welpen – mit dem klaren Zusatz, dass Mitarbeitende selbstverständlich keine Kinder sind. Die Botschaft dahinter:

Man wartet nicht, bis das erste Problem „in der Ecke liegt“, sondern schafft von Anfang an Klarheit – auf beiden Seiten.
Andre ergänzt: Feedback-Gespräche sollten nicht nur Defizite benennen, sondern auch die Perspektive des Unternehmens hinterfragen:

Was können wir anders machen?
Empathie heißt hier: verstehen, dass Menschen mit privaten und beruflichen Themen kommen und reiner Druck Gegenwehr erzeugt.

Führung als Dienstleistung & Kommunikationskultur

Dirk sieht Führung als Dienstleistung am Team:
Mitarbeitende befähigen, ihnen Aufmerksamkeit schenken, gute Phasen feiern, schwierige Phasen ehrlich ansprechen – ohne Dauerselbstmitleid.

So lassen sich auch Krisen besser überbrücken.
Andre stört sich an der rein schriftlichen Kommunikation (WhatsApp, Messenger).
Sein Appell: Telefon in die Hand nehmen und reden.

Zu viel Geschreibe führt zu Missverständnissen, Frust und unnötigen Konflikten.

Werte bei Kandidat:innen & Circle of Trust

Spannend wird es beim Thema Werte der Kandidaten:
Viele wissen gar nicht genau, welche Werte sie haben oder wohin sie wollen.
Hier helfen Coaching, Reflexion und ehrliches Feedback.

Wenn Kandidat:innen Begriffe wie „mutig“ oder „authentisch“ nennen, fragt Dirk nach:
Woran machst du Mut fest? In welcher Situation warst du zuletzt mutig?

An konkreten Beispielen trennt sich Selbstdarstellung von gelebter Haltung.
Was passiert mit Kandidat:innen, die nicht ins Mandat passen?
Hier kommt der Circle of Trust und HiddenCandidates ins Spiel:

Kandidaten werden nicht „fallen gelassen“, sondern bekommen eine zusätzliche Chance:

  • anonymes Profil,
  • Videopitch,
  • asynchrone Interviews,
  • Unternehmen bewerben sich bei Kandidat:innen, nicht umgekehrt.

Andre ist überzeugt:
Sobald die Wirtschaft wieder anzieht, werden Kandidaten die stärkere Position haben. Unternehmen, die jetzt leichtfertig Menschen entlassen, werden diese später nur schwer zurückholen können.

Fazit

Beide sind sich einig:
Kultur schafft Bindung, aber nur, wenn sie echt, konsistent und erlebbar ist.
Recruiting ohne Werte-Klarheit führt zu teuren Fehlbesetzungen, Frust und Fluktuation. Kultur ist keine Folie im Intranet, sondern tägliche Praxis – im Recruiting, im Onboarding, in der Führung und in jeder Mail, jedem Gespräch, jeder Entscheidung.

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