Türchen 24
2021 Was für ein turbulentes Jahr
- Pandemie
- Digitalisierung
- Globalisierung
Immer neue Herausforderungen und immer schneller wird unsere Welt. Und wir mittendrin.
Was wäre, wenn die Weihnachtsgeschichte sich genau heute wiederholen würde? Was wäre, wenn wir Teil von Ihr sind?
Ich wünsche Ihnen himmlische Empfindungen bei meiner Weihnachtsgeschichte, ein gesegnetes Weihnachtsfest und, dass Sie ab und zu Ihr inneres Kind in 2022 spüren. Bleiben sie gesund.
Ihre
Andrea Spreitzer-Marchl

Stille Nacht, heilige Nacht 2021
„Papa, wann kommst du nachhause? Ich muss dir mein neues Schulprojekt für nächstes Jahr zeigen. Und Oma hat angerufen. Ihr Herd geht nicht mehr.“
„Morgen mein Schatz. Und Oma rufe ich im Laufe des Tages an“
Mark ist eigentlich aus Berlin aber seit zwei Jahren ist er CEO eines (wieder) aufstrebenden Unternehmens in München. Er und seine Familie haben sich dazu entschlossen, dass er pendelt.
„Ich rufe euch heute Abend wieder an. Ich wünsche dir einen schönen Tag.“
Mark hetzt zum Konferenzraum, in dem schon seine Directs warten.
„Das ist der Neue. Der steuert jetzt bei uns die Prozesse. Ich will, dass ihr ihm alle Informationen zur Verfügung stellt, die er braucht. Zuviel ist letzte Saison schiefgelaufen. Wir können das besser!“
„Und wo sind die aktuellen Zahlen der vergangenen Woche? Ich benötige außerdem bis 13.00 Uhr die detaillierte Planung. Ich habe am Nachmittag ein Meeting mit unseren Investoren.“
„Was machen wir eigentlich mit unserer aktuellen Homeofficesituation? Wann ist das Konzept fertig?“
Sein Handy vibriert. Der Mail Button zeigt ihm 78 ungelesene Nachrichten. Eine Nachricht seines Kollegens „Bitte ruf mich dringend an!“
Mark tänzelt durch den Konferenzraum. Fast schon wie ein Boxer. Ja, im Kampf fühlt er sich schon lange. Er hat gemeinsam mit seinen Teams eine bedrohliche Krise abgewandt, das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs gebracht. Jetzt wollen sie weiter wachsen. Also vorwärts, es geht nur nach vorn, höher, schneller, neuer, mehr. Mark wird langsam alles zu viel. Irgendwie scheint ihm alles um die Ohren zu sausen. Zuhause, im Büro – dabei ist ja eigentlich er es, der die Geschwindigkeit festlegt. Er fühlt sich leer, haltlos manchmal fast orientierungslos. Aber er weiß, was er will und für Schwäche ist jetzt keine Zeit.
„Mark, ich bin hier in der Nähe vom Olympia-Einkaufszentrum. Wollte mir unsere neue Lagerhalle anschauen, aber ich komm nicht mehr hier weg. Ich muss die nächsten Termine canceln. Was hier abgeht, musst du dir anschauen. Vielleicht auch für unser Geschäft interessant. In der Grünspechtstraße im Bethlehemstadel wurde ein Kind geboren.“
„Aha, weshalb sollte das für uns interessant sein?“
„Ich weiß es nicht. Aber das Kind ist ein Magnet. Vielleicht eine geniale Werbestrategie des Konkurrenten. Trotz Corona stehen die Menschen Schlange und wollen nur eines – dieses Kind sehen.“
„Ok, ich bin gleich da.“
„Verschieb meinen 10.30 Uhr Termin auf morgen“, hört er sich, bevor die Aufzugstür schließt zu seiner Assistentin sagen und fährt hinab zur Tiefgarage. Mark eilt zu seinem schwarzen BMW, startet den Motor und braust auf den Mittleren Ring.
<<Hoffentlich blitzen die heute nicht. Dieser Ausflug war gar nicht eingeplant. Überhaupt, was mache ich hier eigentlich? Ein Kind wurde geboren hat Stefan gesagt? Alle wollen es sehen? Vielleicht wirklich eine geniale Werbestrategie. Na, ja ich werde sehen, ob es ein Flop ist. >>
Mark muss ein paar Straßen weiter weg parken. Es ist wirklich kein durchkommen zur Grünspechtstraße. Als ob es hier etwas umsonst gäbe. Nee, irgendwie wirkt hier alles so friedlich. Das mitten in München. Fast schon wie eine Prozession. Hier ist alles ganz still. Mark beschleicht ein mulmiges Gefühl. Es ist fast unheimlich. Kann er einfach an der Schlange vorbeilaufen? Er hat einfach nicht die Zeit sich einzureihen.
Da sieht er Stefan winken. Zum Glück steht er bereits am Eingang des Bethlehemstadel. „Was ist hier los Stefan?“ „Das musst du dir selbst ansehen, Mark. Jetzt weiß ich bisschen mehr. Offenbar haben die Eltern wegen dem Beherbergungsverbot nichts bekommen. Aber die Leute sind so arm, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie sich zu normalen Zeiten eine gute Unterkunft hätten leisten können. Krankenversichert scheinen sie nicht zu sein. In ein Krankenhaus konnten sie nicht gehen. Und das alles mit einem Neugeborenen. Aber schau es dir selber an.“
„Oh Mann Stefan, dafür holst du mich aus….“ – Psst!
Es ist unglaublich still. Aber keine unangenehme Stille. Sie ist andächtig, eine wohlig warme stille, irgendwie feierlich. Im Stadl stehen Menschen, Männer und Frauen, Jung und Alt, Arm und Reich – sie stehen einfach da aber mit erfüllten Blicken. Und trotz der FFP2 Masken, wirken sie alle glücklich und beseelt, ja glücklich und beseelt beschreibt es am besten, was Mark in ihren Augen sieht. Er hatte diese Gefühle schon fast vergessen. Ein wohlig warmes Gefühl schleicht in ihm hoch. Es ist ein schönes Gefühl. Es erinnert ihn an seine Kindheit, als er alles noch unvoreingenommen wahrgenommen hatte, als für ihn Menschen noch gleich waren, als er noch tausende spannende Fragen hatte aber auch, wenn er nach einem Streit mit Freunden oder einem Unfall weinend zu seiner Mutter lief. Sie ihn tröstete und ihm Ruhe und Geborgenheit gab. Ruhe und Geborgenheit und dann war noch diese Stille. Genau wie hier. Was für ein wundervolles Gefühl.
Und auf einmal kommt Mark alles so blödsinnig vor. Ja, richtiggehend lächerlich. Der ganze Stress, die Hektik, die er selbst verursacht, das Getue und Gehabe und wie wichtig jeder im Business ist. All das kommt ihm jetzt plötzlich kindisch vor. Das Gefühl, was er hier empfindet, diese Stimmung hingegen, ist trotz der Situation alles andere als kindisch.
„Verschieb bitte alle meine Termine von heute.“ Mark konnte noch nicht ins Büro zurückfahren. Er schlenderte noch lange durch die Straßen und ließ diese Stimmung auf sich wirken. Zum ersten Mal nahm er bewusst die schöne Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen wahr. Und wie schön die Menschen ihre Häuser geschmückt hatten.
Auch später, als der Alltag Mark wieder hatte, dachte er immer wieder an diesen Moment. Er konnte dieses Gefühl nicht vergessen. Diese Stimmung und, dass er dieses Kind irgendwie bewunderte. Dieses Kind, was so friedlich da lag und nichts tat. Es wollte nichts von ihm. Es wollte ihm nichts verkaufen, es wollte kein Geld von ihm, es wollte keinen Job von ihm, es wollte ihn zu nichts drängen. Es war einfach da, so friedlich und es war ein wundervolles Gefühl. Etwas Reines, Vollkommenes, ja etwas Himmlisches lag in der Luft. Diese Empfindung, die Mark nicht mehr vergessen will, von der er mehr will. Es ist etwas nur in seinem Inneren und er weiß, dass er aus diesem Kind keinen Profit schlagen kann. Es wird sich nicht vermarkten lassen und ist dennoch so unglaublich viel wert.
Man kann darüber nicht einmal richtig reden. Dieses Gefühl, diese Stimmung lebt in jedem von uns. Man muss sie selbst erleben.